Sexualisierte Gewalt in Bildungseinrichtungen der Herz-Jesu-Missionare/Hiltruper Missionare von 1945 bis 2010

Das Forschungsprojekt ist mit der historischen Aufarbeitung und Einordnung von Fällen sexualisierter Gewalt an Bildungseinrichtungen der Hiltruper Missionare befasst. In dem zeitgeschichtlichen Forschungsprojekt sollen sowohl strukturelle Voraussetzungen, als auch spezifische Bedingungen der Ermöglichung und Beschweigung sexualisierter Gewalt untersucht werden.

Hierbei stehen die beiden von den Hiltruper Missionaren lange betreuten Bildungseinrichtungen, Gymnasium Johanneum in Homburg/Saar und das Erziehungsheim Johannesburg im Emsland, im Zentrum der Untersuchung.

Das Johanneum wurde 1963 von den Herz-Jesu-Missionaren als Internatsgymnasium gegründet; Ende der 1990er Jahre wurde das Internat geschlossen, seit 2005 wird das katholisch geprägte Gymnasium von einer Kinder- und Jugendstiftung der Hiltruper Missionare getragen. Seit 2010 sind am Homburger Johanneum durch ehemalige Schüler Fälle sexualisierter Gewalt öffentlich gemacht worden. Seitdem kümmert sich eine Initiative ehemaliger Schüler des Homburger Johanneums um die Aufklärung von Fällen sexualisierter Gewalt am Johanneum, wobei die Öffentlichkeit stets eingebunden wurde.

Die Johannesburg ist älter als das Johanneum und wurde bereits 1913 als Heim für männliche Fürsorgezöglinge gegründet und im Jahr darauf vom Bischof von Osnabrück den Hiltruper Missionaren übergeben. Nach 1945 erweiterte die Johannesburg ihren Aufgabenbereich mit einem besonderen Schwerpunkt auf Berufsausbildung. Seit den 1970er Jahren entwickelte sie sich zu einer von sozialpädagogischen Prinzipien geprägten Einrichtung der Jugendsozialarbeit. Auch hier gelangten schon vor 2010 Berichte ehemaliger Heiminsassen über Gewalterfahrungen einschließlich sexualisierter Gewalt an die Öffentlichkeit.

 

Das Forschungsprojekt soll für den Zeitraum nach dem Zweiten Weltkrieg beziehungsweise nach der Homburger Internatsgründung vertiefte Erkenntnisse zum Umfang des sexuellen Missbrauchs und über die Gewalterfahrungen der Betroffenen und wie diese sich weiter auswirkten zutage fördern. Zugleich gilt es, Strukturen zu analysieren, welche die Taten und ihr Beschweigen ermöglichten.

Es ist danach zu fragen, welche Personenkreise um Vorfälle sexualisierter Gewalt wussten und wie sie sich dazu verhielten. Die Geschichte der sexualisierten Gewalt in den beiden genannten Einrichtungen soll zudem auch in ihren jeweiligen gesamtgesellschaftlichen Kontext eingeordnet werden. Dazu zählen strukturelle Bedingungen für Gewalt, insonderheit sexualisierte Gewalt in katholischer Kirche und Orden, aber auch juristische und medizinische Fachdebatten. Speziell müssen auch die sozialen Umfelder beider Einrichtungen, in denen womöglich weggesehen oder Betroffene nicht ernst genommen wurden, in den Blick genommen werden.

 

Methodisch beruht das Forschungsprojekt auf einer klassischen Aktenanalyse von überwiegend noch nicht ausgewertetem Quellenmaterial. Es wird hierbei insbesondere auf das Schriftgut des Archivs der Hiltruper Missionare in Münster zurückgegriffen. Ferner sind in den beiden zu untersuchenden Einrichtungen überliefertes Material auszuwerten. Hinzu kommen Überlieferungen staatlicher Archivalien, vorwiegend in den Staatsarchiven in Saarbrücken und Oldenburg. Außerdem ist die Analyse einschlägiger Medienberichterstattung zu berücksichtigen. Schließlich ist nicht zuletzt die Durchführung von Zeitzeugeninterviews mit den Methoden der Oral History für das Forschungsprojekt unerlässlich, da davon auszugehen ist, dass Fälle sexualisierter Gewalt nicht umfassend in den überlieferten Archivalien nachgewiesen werden können.

Die Untersuchung sexualisierter Gewalt an Bildungseinrichtungen der Hiltruper Missionare soll in engem Austausch mit vergleichbaren Projekten erfolgen. Es ist vorgesehen die Ergebnisse des auf zwei Jahre angelegten Forschungsprojektes durch Publikationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.